Die Ausgangslage

Der Mieter eines Ufergrundstückes lässt mit Zustimmung seines Vermieters durch ein Fachunternehmen einen Bootssteg errichtet. Der Steg wird baurechtlich bewilligt; der Mieter vergisst aber, auch eine naturschutzrechtliche Bewilligung einzuholen. Laut Mietvertrag hätte der Mieter sämtliche von ihm errichtete Bauten behördlich bewilligen lassen müssen.

Etwa 17 Jahre später kommt es zwischen den Vertragsparteien zum Streit. Der Vermieter verlangt den Abschluss eines neuen Mietvertrags mit schlechteren Bedingungen. Nur bei Unterfertigung des neuen Mietvertrags würde der Vermieter seine Zustimmung zur nachträglichen naturschutzrechtlichen Bewilligung des Stegs erteilen. Als der Mieter ablehnt, wird der Mietvertrag vom Vermieter aufgelöst.

Das Verfahren

Im anschließenden Räumungsverfahren unterliegt der Mieter in erster Instanz vor dem Bezirksgericht. Die von uns erhobene Berufung revidiert die Entscheidung des Erstgerichts: Die Räumungsklage wird abgewiesen. Der Vermieter zieht gegen diese Entscheidung mittels außerordentlicher Revision vor den Obersten Gerichtshof (OGH). Mit Entscheidung vom 30.01.2020, 2 Ob 177/19x, weist der OGH die Revision des Vermieters zurück. Der Mieter wird nicht geräumt, er darf das Grundstück weiterhin nutzen.

Die Entscheidung des OGH

Der OGH hält fest, dass die „nicht mit einer Substanzgefährdung verbundene Verletzung vertraglicher Pflichten“ nur dann die Auflösung eines Mietvertrags rechtfertige, wenn sie die Interessen des Vermieters erheblich beeinträchtigen würde. Zwar hätte der Mieter eine Vertragsverletzung begangen, weil er den Steg nach dem Mietvertrag hätte behördlich bewilligen lassen müssen. Eine Gefährdung der Substanz des Grundstücks, also eine mögliche Beeinträchtigung des Grundstückes oder des Sees durch den fachmännisch errichteten Steg, hätte der Vermieter aber nicht nachweisen können.

Ebenso wenig könne die Vertragsverletzung des Mieters eine „Vertrauensunwürdigkeit“ begründen, weil der Vermieter selbst das Unterbleiben einer  nachträglichen behördlichen Bewilligung zu verantworten habe.

Schwarzbauten per se rechtfertigen keine Beendigung des Mietvertrages

Die Entscheidung des OGH zeigt, dass das Unterlassen der Einholung behördlicher Genehmigungen eine schwache Begründung für die Auflösung eines Mietvertrages darstellt. Wichtiger ist vielmehr, ob die behördlich nicht oder nur unzureichend bewilligte Baulichkeit (oftmals als „Schwarzbau“ bezeichnet) eine Substanzgefährdung des Mietgegenstandes darstellt oder nicht. Bei der Errichtung durch ein behördlich konzessioniertes Fachunternehmen wird die Substanzgefährdung durch die Vermieterseite nur schwer zu beweisen sein.

Auch als „Druckmittel“ für den Abschluss eines neuen, nachteiligen Mietvertrags hat sich die fehlende behördliche Bewilligung im gegenständlichen Fall nicht geeignet.

Der Mieter hat also die richtige Entscheidung getroffen, indem er sich auf den gerichtlichen Streit eingelassen hat. Die tarifmäßigen Kosten seiner anwaltlichen Vertretung hatte der Vermieter zu tragen.

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