Am 23.11.2023 wurde im Wiener Landtag die Bauordnungsnovelle 2023 (LG-384606-2023) beschlossen („Novelle“). In Kraft trat sie mit ihrer Kundmachung am 13.12.2023.
Zumal die Novelle zahlreiche bedeutsame Änderungen in verschiedenen Regelungsbereichen der Wiener Bauordnung vorsieht, ist es kaum möglich, im Rahmen einer Zusammenfassung die „wichtigsten Inhalte“ herauszuarbeiten; es gibt schlicht zu viele Änderungen, die bedeutend erscheinen. Der folgende Beitrag beleuchtet daher ausgewählte Aspekte der Bauordnungsnovelle 2023 im Zusammenhang mit Fragen der Liegenschaftsentwicklung und Umweltaspekten, die anhand der praktischen Erfahrungswerte des Autors besonders ins Auge stechen.
1. Änderungen für Raumordnungsverträge (Städtebauliche Verträge) (Änderungen in § 1a Wiener Bauordnung)
Die gesetzliche Grundlage für den Abschluss von Städtebaulichen Verträgen durch die Gemeinde Wien wurde durch die Novelle im Hinblick auf die Erfordernisse aus der Praxis in § 1a der Wiener Bauordnung adaptiert und ergänzt. Geschaffen wurde die Möglichkeit, dass Städtebauliche Verträge neben den jeweiligen GrundeigentümerInnen auch mit anderen (juristischen) Personen wie zB BaurechtsnehmerInnen oder BauwerberInnen mit Kaufoption abgeschlossen werden können sollen. Fraglich ist, welche Änderungen es für die Vertragsgestaltung mit sich bringen wird, wenn die Gemeinde nicht mit den GrundeigentümerInnen kontrahiert. So ist etwa das Baurecht stets zeitlich befristet; sollten Pflichten aus dem Vertrag zum Laufzeitende noch aufrecht sein, wäre wohl festzulegen, wen diese Pflichten dann treffen sollen. Die neue Regelung legt weiters fest, dass auch andere Personen Vertragsparteien sein können sollen, ohne aber (auch nicht in den Erläuterungen) zu regeln, wer diese Personen sein können; dies eröffnet grundsätzlich einen weiten Spielraum. Fraglich ist wohl auch die Vorgehensweise, wenn Vertragspartner „bloße“ OptionsnehmerInnen sind und die Option nicht gezogen wird, aber seitens der Gemeinde bereits die Widmung erlassen worden ist. Grundsätzlich ist die Erweiterung der potentiellen Vertragspartner aber geboten, um den Interessen der Entwickler – gerade bei großen Projekten mit mehreren Vertragspartnern – gerecht werden zu können.
Eine weitere Neuerung betrifft die Zusammenfassung und Veröffentlichung der abgeschlossenen Verträge (der wesentlichen Vertragsinhalte). Grund der (Neu-)Regelungen waren vermutlich mitunter die politischen Forderungen nach mehr Transparenz für die Öffentlichkeit.
Weitere Informationen zu Raumordnungsverträgen und Städtebaulichen Verträgen finden sich in nachfolgendem Beitrag:
Raumordnungsvertrag (Städtebaulicher Vertrag) – Ein Leitfaden
2. Neue Bestimmungen zur Verfahrensvereinfachung der nachhaltigen Energiebereitstellung (Änderungen in § 60 und § 62 der Wiener Bauordnung)
Gegenüber der letzten Novelle der Bauordnung im Jahr 2021, über die wir ebenfalls berichtet hatten, sieht die Bauordnungsnovelle auch umfassende Änderungen im Bereich der Nachhaltigkeit vor. Eine Neuerung ist dahingehend die Vereinfachung der Umsetzung von nachhaltigen Anlagen zur Energiebereitstellung. Kurz vor Beschluss der Novelle war ja bekannt geworden, dass das Erneuerbare-Wärme-Gesetz auf Bundesebene (vorerst) nicht in Kraft treten würde, womit noch nicht feststeht, ab wann fossile Energieträger zur Wärmebereitstellung ausgedient haben.
Einer Bewilligungspflicht im „ordentlichen Verfahren“ bedürfen Photovoltaikanlagen nunmehr nur in bestimmten (taxativ in § 60 Abs 1 lit. j) Wiener Bauordnung) aufgezählten Fällen. Ansonsten ist die Errichtung von Photovoltaikanlagen (§ 62a Abs 1 Z 24a Wiener Bauordnung) ab sofort bewilligungsfrei. Ebenfalls bewilligungsfrei ist ab sofort die Installation von Erdwärmesonden, sofern diese nicht im Grünland, in Schutzgebieten oder in einem von einer Bausperre erfassten Gebiet liegen (§ 62a Abs 1 Z 36 Wiener Bauordnung). Erweitert wurde auch das Spektrum an bewilligungsfrei installierbaren Beschattungsvorrichtungen (§ 62a Abs 1 Z 33 Wiener Bauordnung).
3. Erweiterung des Schutzes von Altbauten (Änderungen in § 60 Abs 1 lit. d) Wiener Bauordnung)
Bereits im Rahmen der Bauordnungsnovelle 2021 wurden die Strafen für den unrechtmäßigen Abbruch von Gebäuden, die vor dem 01.01.1945 errichtet wurden, massiv erhöht. Gemeint ist damit etwa der Abriss eines solchen Gebäudes ohne Einholung der erforderlichen baurechtlichen Bewilligung (wie in § 60 Abs 1 lit. d) Wiener Bauordnung). Eine solche Bewilligung ist etwa dann zu erreichen, wenn eine Beurteilung des Zustandes des Gebäudes ergibt, dass der Bauzustand derart schlecht ist, dass die Instandsetzung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden kann. Dadurch eröffnete sich aber die Möglichkeit, ein Gebäude dem Verfall preiszugeben, um diesen – für den Abriss erforderlichen Zustand – herbeizuführen.
Nach der Neufassung der Bestimmung sollen bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einer Sanierung nun aber öffentliche Förderungen und Ertragsoptimierungsoptionen einbezogen werden müssen, wodurch Bewilligungen im Hinblick auf diesen Tatbestand erschwert werden. Weiters sind in die Beurteilung Vernachlässigungen der Erhaltungspflichten einzubeziehen. Aus solchen Vernachlässigungen entstehende Schäden dürfen in die Gesamtbetrachtung fortan nicht mehr einbezogen werden.
4. Einschränkung der Möglichkeiten zur nachträglichen Bewilligung von Bauwerken, die ohne Genehmigung errichtet wurden (Streichung der Bestimmung gemäß § 71a Wiener Bauordnung)
Über diese Neuerung wurde, ob ihrer drastischen Auswirkungen, bereits in diesem Beitrag berichtet:
Eine Entschärfung wurde nun aber noch durch die Festlegung eines späteren Zeitpunkts zum Außerkrafttreten der Bestimmung vorgenommen. Gemäß Art IV Abs 2 der Novelle tritt die Bestimmung nun mit 31.12.2027 außer Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt können demnach weiterhin (nachträgliche) Bewilligungen aufgrund 30-jährigen Bestandes beantragt werden.
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