Nie zuvor waren so viele Kinder im häuslichen Unterricht wie im Schuljahr 2021/22. Der Gesetzgeber versucht, diesem Trend entgegenzusteuern und hat die Regelungen zum häuslichen Unterricht im Schulpflichtgesetz mit einer weitreichenden Schulrechtsnovelle (BGBl. I Nr. 232/2021) deutlich verschärft (Novelle 2022). Knapp ein Jahr später liegt bereits eine weitere umfassende Gesetzesänderung vor (BGBl. I Nr. 37/2023), die mit April 2023 in Kraft getreten ist (Novelle 2023).

Welche Neuerungen genau auf Sie zukommen, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Neue Anzeigefrist

Bis zum Schuljahr 2021/22 mussten Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte die Teilnahme ihres Kindes am häuslichen Unterricht vor Beginn des Schuljahres anzeigen, dh im Wesentlichen bis Anfang September.

Diese Frist wird nun vorverlegt. Die Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte haben die Anzeige für das kommende Schuljahr bis eine Woche nach dem Ende des vorhergehenden Unterrichtsjahres bei der jeweiligen Bildungsdirektion ihres Bundeslandes einzubringen (Novelle 2023).

Das Unterrichtsjahr endet mit Beginn der Hauptferien (§ 2 Schulzeitgesetz); die exakten Daten werden jährlich vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung veröffentlicht.

Vorsicht beim Wechsel des Wohnsitzes von Westösterreich nach Ostösterreich, wo das Unterrichtsjahr eine Woche früher endet. Wir empfehlen, die Anzeige – zur Sicherheit – unmittelbar nach Vorliegen sämtlicher notwendiger Unterlagen einzubringen.

Inhalt der Anzeige  

Über den Inhalt der Anzeige lagen bis zum Schuljahr 2021/22 keine gesetzlichen Regelungen vor. Die bei den jeweiligen Bildungsdirektionen aufliegenden Formulare geben Aufschluss darüber, welche Informationen seitens der Bildungsdirektion gewünscht werden (zB Stammdaten, Schulstufe, Lehrplan). Eine Verpflichtung zur Verwendung dieser Formulare besteht aber nicht.

Mit der Novelle 2023 werden die Inhalte der Anzeige sowie die vorzulegenden Unterlagen neu vorgegeben:

Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Anschrift jener Person sind anzugeben , welche das Kind voraussichtlich führend unterrichten wird. Ebenso ist der Ort, an dem der Unterricht erfolgen soll, zu nennen.

Diese Angaben werden es den Bildungsdirektionen künftig leichter machen, die Teilnahme am Unterricht an einer nicht bewilligten Privatschule (in den Medien meist als „illegale Lerngruppe“ bezeichnet) nachzuweisen.

Das Jahreszeugnis oder das Zeugnis der Externistenprüfung über das vorangegangene Schuljahr sind vorzulegen.

Der Lehrplan und die Schulstufe sind anzugeben und eine Zusammenfassung des pädagogischen Konzepts für den Unterricht ist vorzulegen. Unter diesem Konzept versteht der Gesetzgeber zumindest „Leitlinien, nach welchen der Unterricht erteilt werden soll und aus welchen Ziele, vergleichbar mit den Bildungs- und Lehraufgaben, sowie die Art der Vermittlung dieser Ziele, vergleichbar den didaktischen Grundsätzen, hervorgehen“ soll. Dabei soll es ausreichend sein, wenn beispielsweise auf die Bildungs- und Lehraufgaben sowie die didaktischen Grundsätze eines verordneten Lehrplans oder des genehmigten Statuts einer Privatschule Bezug genommen wird.

Externistenprüfungsschulen

Schon bisher war die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts verpflichtend durch eine Externistenprüfung nachzuweisen. Diese Prüfungen wurden seitens der Schulen unterschiedlich streng abgehalten, was dazu führte, dass es teilweise zu einem bundesweiten „Prüfungs-Tourismus“ kam; weiters bestanden auch bundeslandspezifische Regelungen hinsichtlich der Wahl der Prüfungsschulen.

Mit der Novelle 2022 erteilt der Gesetzgeber den Bildungsdirektionen der Länder den einheitlichen Auftrag, bestimmte Schulen vorzusehen, an denen die Externistenprüfungen abgehalten werden. Die Bildungsdirektionen haben Listen von zulässigen Schulen zu erstellen und diese per Verordnung zu veröffentlichen.

Ein „Prüfungs-Tourismus“ ist damit nicht mehr möglich.

Reflexionsgespräch

Beginnend mit dem Schuljahr 2022/23 hat spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand an jener Schule stattzufinden, die bei einer Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre. Dies betrifft im Regelfall die Pflichtschule des Ortes oder des Wohnbezirks.

Für Kinder und Jugendliche der 1. bis 8. Schulstufe ist, bei Wahl des AHS-Lehrplans, das Reflexionsgespräch an einer AHS zu führen. Auf der 9. Schulstufe ist jene Schule zuständig, die dem gewählten Lehrplan entspricht.

Die Teilnahme am Reflexionsgespräch ist verpflichtend.

Untersagung des häuslichen Unterrichts

Mit der Novelle 2023 wurden die bereits bestehenden gesetzlichen und von der Rechtsprechung entwickelten Untersagungsgründe vereinheitlicht und gegenüber der Rechtslage des Schuljahres 2021/22 maßgeblich erweitert.

Eine Untersagung des häuslichen Unterrichts kann von der Bildungsdirektion nun unter folgenden Gründen ausgesprochen werden:

  1. Wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichtes mit dem Unterricht an einer öffentlichen Schule nicht gegeben ist, oder
  2. eine Deutschförderklasse oder ein Deutschförderkurs zu besuchen ist, oder
  3. das Reflexionsgespräch nicht durchgeführt wurde, oder

Gleichzeitig mit der Untersagung hat die Schulbehörde anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im „Regelschulsystem“ zu erfüllen hat. Werden darüber hinaus Befürchtungen über eine Gefährdung des Kindeswohls hervorgerufen, so hat die Schulbehörde entweder eine Anzeige zu erstatten oder die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung oder die Kinder- und Jugendhilfe zu informieren.

Wie die neuen strengen Untersagungsgründe in der Praxis auszulegen sind und ob diese einer verfassungs- und grundrechtlichen Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof standhalten würden, wird die Rechtsprechung zeigen.

Haben Sie Fragen zum häuslichen Unterricht?

Zusammengefasst sind die Vorverlegung der Anzeigefrist, das Reflexionsgespräch, die Einschränkung der Externistenprüfungsschule sowie die neuen Untersagungsgründe die wesentlichen Änderungen der beiden Gesetzesnovellen 2022 und 2023.

Sie haben weitere Fragen zum häuslichen Unterricht, zur Externistenprüfungen und zur Schulpflicht?

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KOMWID Partner Dr. Alexander Kompein berät Sie gerne zu diesem Thema.