Am 24.11.2021 wurde im Wiener Landtag die Bauordnungsnovelle 2021 (LGBl. Nr. 70/2021) beschlossen. In Kraft trat sie mit ihrer Kundmachung am 13.12.2021. Wesentlicher Eckpfeiler der Novelle ist die Einschränkung der Bebaubarkeit in der Bauklasse I. Dadurch soll verhindert werden, dass in Siedlungsgebieten, in denen sich vorwiegend Einfamilienhäuser befinden, großvolumige Mehrparteienhäuser errichtet werden, die nach Ansicht der Stadtregierung nicht in das Stadtbild passen. Neu geschaffen wurde außerdem eine Geldstrafe in Höhe von bis zu EUR 300.000,–, wenn ein vor dem 1.1.1945 errichtetes Gebäude ohne erforderliche Baubewilligung abgerissen wird. Zu den Einzelheiten der Novelle:

Allgemeines

Vorab ist festzuhalten, dass die Novelle keine Änderungen im Bereich des Klimaschutzes mit sich bringt, was insbesondere deshalb verwundert, als der Klimaschutz ein zentraler Pfeiler des Regierungsprogrammes der Stadtregierung ist und sich gerade im Bereich des Baurechtes viele Möglichkeiten bieten, klimaschutzrelevante Maßnahmen zu erlassen.

Neben den eingangs erwähnten Änderungen betreffend die Bebaubarkeit und die Verwaltungsstrafen brachte die Novelle insbesondere die Schaffung von Regelungen betreffend Seveso-Betriebe (§ 6a BO für Wien) sowie die Erweiterung der Bewilligungsfreiheit für das Aufstellen von Containern (§ 62a Abs 1 Z 35 BO für Wien) mit sich. Letztere Maßnahme ist wohl der Corona-Pandemie geschuldet, da gerade Container zur Versorgung der Bevölkerung anlässlich bereits eingetretener oder bevorstehender Ereignisse (wie  z.B. Pandemien) ausgenommen sein sollen. Bekannt sind hier insbesondere die Corona-Test-Container, die in Wien aufgestellt wurden.

Zur Einschränkung der Bebaubarkeit im Einzelnen

Gemäß den Erläuternden Bemerkungen zur Bauordnungsnovelle 2021 ist es ein Ziel der Novelle, den Siedlungsgebietscharakter in Gebieten, in denen die Bauklasse I festgesetzt ist, zu wahren und zu bewirken, dass in Hinkunft kleinere Baukörper durch Beschränkung der Größe der einzelnen Gebäude realisiert werden können. Im Einzelnen ergibt sich dies aus einem Bündel verschiedener Maßnahmen:

Neue Beschränkung der Bebaubarkeit von Grundflächen in der Bauklasse I

In § 76 BO für Wien wurde nun festgelegt, dass die bebaute Grundfläche in der Bauklasse I nicht mehr als 350 m² betragen darf. Zuvor war das Höchstmaß dieser Fläche mit 470 m² beschränkt. Damit ergibt sich, dass unabhängig von der jeweiligen Grundstücksgröße ein Baukörper jedenfalls nur eine Grundfläche von 350 m² aufweisen darf, womit die Dimensionierung von größeren Baukörpern und insbesondere von Mehrparteienhäusern bereits erheblich eingeschränkt wird.

Neue Beschränkungen der Abstände zum Nachbargrundstück

Neu geregelt wurden durch die Bauordnungsnovelle 2021 auch die in der Bauklasse I einzuhaltenden Abstände zu den Nachbargrundstücken. Diese müssen in Hinkunft großzügiger dimensioniert werden, womit insbesondere ein höherer Grünanteil in den entsprechenden Siedlungsgebieten erreicht werden soll. Bereits vor der Bauordnungsnovelle 2021 war in § 79 Abs 3 festgelegt, dass der Abstand von Gebäuden zu Nachbargrenzen in der Bauklasse I zumindest 6 m betragen muss. Geändert wurde nun, wie weit in diese Abstandsflächen hineingerückt werden darf. War dies bislang jedenfalls bis zur Hälfte des jeweiligen Abstandes möglich, ist nun vorgesehen, dass nur bis zur halben Gebäudehöhe jener Front, die der jeweiligen Nachbarliegenschaft zugewandt ist, an die Nachbargrenze herangerückt werden darf, wobei ein Abstand von 3 m zur Nachbargrenze jedenfalls zu wahren ist.

Gemeint ist mit der aus meiner Sicht etwas missverständlich formulierten gesetzlichen Bestimmung, dass beispielsweise bei einem Gebäude mit einer Gebäudehöhe von 9 m,  4,5 m Abstand zu wahren sind bzw. 1,5 m herangerückt werden darf. Da 3 m Mindestabstand jedenfalls zu wahren sind, besteht bei Gebäuden mit einer Gebäudehöhe von bis zu 6 m die Möglichkeit, 3 m heranzurücken.

Neue Beschränkungen der zulässigen Gebäudehöhe

Umfassend neu geregelt wurden durch die Bauordnungsnovelle 2021 auch die Bestimmungen betreffend die höchstzulässige Gebäudehöhe in § 81 BO für Wien im Rahmen der Bauklasse I. Dahingehend wurde zunächst eine Verringerung der Ausnahmen für nicht zur Straße gerichtete Giebelflächen um die Hälfte vorgenommen (welche Giebelflächen also bei der Berechnung gemäß § 81 BO für Wien nicht einberechnet werden müssen); zukünftig können nunmehr in der Bauklasse I nur mehr 25 m² pro Giebelfläche bzw 50 m² pro Gebäude gebaut werden. Daraus sowie aus der Beschränkung der zulässigen Firsthöhe auf 4,5 m (der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls mehr als 4,5 m überhalb der zulässigen Gebäudehöhe liegen) ergibt sich eine wesentliche Einschränkung der Bebaubarkeit des jeweiligen Dachvolumens.

Rohdachboden

Ausnahme für anhängige Bewilligungsverfahren

Wichtig ist, dass für sämtliche Baubewilligungsverfahren, die bis zum Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle (13.12.2021) anhängig gemacht wurden, gemäß Artikel III der Bauordnungsnovelle 2021 noch die alten Bestimmungen gelten. Ein Problem würde es nun freilich darstellen, wenn ein vor dem 13.12.2021 gestelltes Bauansuchen nach diesem Zeitpunkt rechtskräftig zurück- oder abgewiesen wird. Das Erfordernis einer Neueinreichung bedingt, dass das Bauprojekt dann auch gemäß den Bestimmungen der Bauordnungsnovelle zu beurteilen wäre. Je nachdem, was für Einschränkungen ein Bauprojekt dadurch erfahren würde, wäre insbesondere abzuwägen, ob gegen eine abschlägige Entscheidung Rechtsmittel eingebracht werden sollen.

Zu den neuen Strafbestimmungen

Die Bauordnungsnovelle 2021 brachte neben den Einschränkungen der Bebaubarkeit in der Bauklasse I insbesondere eine Neuregelung der Strafbestimmungen in § 135 Abs 3 BO für Wien mit sich. Dort ist nunmehr vorgesehen, dass eine Geldstrafe von bis zu EUR 300.000,– verhängt werden kann, wenn ein vor dem 1.1.1945 errichtetes Gebäude ohne die gemäß § 60 Abs 1 lit. d BO für Wien erforderliche Baubewilligung abgerissen wird. Alternativ oder für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe kann eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe von bis zu 6 Wochen verhängt werden.

Zusammenfassung

Die Bauordnungsnovelle 2021 brachte insbesondere Änderungen im Hinblick auf die Bebaubarkeit von Grundstücken in der Bauklasse I mit sich. Baukörper in solchen Gebieten müssen nun mit wesentlich geringerer Kubatur dimensioniert werden, was wohl auch Auswirkungen auf die Grundstückspreise zeitigen wird. Zu berücksichtigen ist, dass die Novelle mit 13.12.2021 in Kraft getreten und auf alle ab diesem Zeitpunkt eingereichte Bauvorhaben anzuwenden ist. Im Hinblick auf anhängige Bauverfahren gilt es daher insbesondere zu vermeiden, dass Neueinreichungen erforderlich werden.

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